Obama, Burger und VR – Rückblick auf die SXSW 2016
Mit mehr Eindrücken im Gedächtnis, als man in so kurzer Zeit verarbeiten kann, sind Arndt und Tilman von der South By Southwest 2016 aus Austin, Texas zurückkehrt. Die SXSW ist die wohl größte, wichtigste und bekannteste Festival-Konferenz aus den Bereichen Interactive, Musik und Film weltweit. Jetzt, da der Biorhythmus wieder in der mitteleuropäischen Zeitzone angekommen ist, haben sich zumindest die meisten Eindrücke gesetzt. Es ist also Zeit, zurückzublicken und einige Fragen zu beantworten, die einem, der nicht dabei war, in den Kopf schießen.
Hypes auf der #SXSW2016: Was ist The Next Big Thing?
TILMAN: Meinem Empfinden nach ist es in diesem Jahr keine App oder ein spezielles Start-up. Es zeigte sich eher, dass ein Feld in Zukunft sehr groß sein wird: Virtual Reality in Kombination mit 360°-Filmen und Live-Broadcasting mittels Social-Network-Apps wie Meerkat, Periscope und allen voran Facebook Live. Alles keine Angebote und technische Errungenschaften, von denen der Branchenkenner noch nie etwas gehört hätte.
Doch es bewegt sich etwas: Bei Virtual Reality drängen eine Vielzahl an Herstellern in den Markt und präsentieren sich in Showrooms; bei 360°-Film erweitern sich Rezeptionsmöglichkeiten allein schon auf Facebook und YouTube. Viele Praxisberichte von z. B. Mashable, BMW oder General Electric zeigen den erfolgreichen Einsatz dieser Technologien in Kampagnen.
ARNDT: Für mich waren es zwei große Technologiefelder, die sich durch die SXSW gezogen haben. Zum einen ganz klar Virtual Reality. Mit riesengroßen Schritten nähern wir uns vernünftiger Hardware, die mit Visualisierung und Akustik zwei unserer wichtigsten Sinne in die virtuelle Welt holt. Klar, VR war schon in den letzten Jahren ein Thema. Aber 2016 war das Festival geprägt von dutzenden Sessions, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten. Gleichzeitig konnte man VR auf verschiedene Weisen hautnah testen. Wir werden definitiv bald miterleben, wie sich Menschen in dieser Realität verlieren. „Strange Days” lässt grüßen.
Das andere große Thema für mich: AI meets Big Data. Bislang wurden diese Felder relativ getrennt voneinander vorangetrieben. Aber macht Big Data eigentlich nicht nur mit Künstlicher Intelligenz Sinn? Die Datenmengen sind kaum anders zu interpretieren. Und klar ist, dass AI viele Daten braucht, um vernünftige Lernmuster auszubilden. Das wird spannend, und gruselig!
Promis auf und neben der Bühne: Habt ihr VIPs gesehen?
TILMAN: Ja. Allen voran: Barack Obama. Aber es brauchte einen halben Tag Zeit, bis man ihn auf der Bühne sehen konnte. Erst musste man an einer Auslosung teilnehmen, um ein Ticket zu gewinnen; man musste sich zudem innerhalb einer Stunde vorregistrieren, gefolgt von drei Stunden Anstehen und der Herausforderung, auf Weisung des Secret Service seinen Laptop noch schnell außerhalb der Location unterzubringen. Dann war er endlich da – begleitet von kreisenden Hubschraubern, Motorrad-Eskorte und SUV-Kolonne: The President of the United States of America Barack Obama. Ein charismatischer Mann, der es versteht, ein Publikum für sich zu gewinnen.
ARNDT: Missy Elliot war da, sagte meine Mitbewohnerin Yasmin. Sie soll ganz klein gewesen sein. Niedlich. Und ich habe Mr. Robot gesehen. Keine Ahnung, wie der heißt. Soviel zum Thema Promis. Aber neben ihm saß Christian Slater. Sehr geile Serie. Check. Die VIPs, die sich in der VR-Simulation vorgedrängelt haben, kannte ich nicht. Vorrecht hatten sie dennoch. Da half kein Jammern und kein Motzen. Da ist die amerikanische Kultur gnadenlos.
Spannende Personen überall: Wie läuft das Networking?
TILMAN: Vor allem beim Anstehen zu den Sessions lernt man immer Leute kennen. Zum profimäßigen Networken gibt es von so ziemlich jedem großen Unternehmen ein Haus: das Spotify House, das Mashable House, das House of Vans. Google und Samsung z. B. machen Motto-Parties. FastCompany hingegen hat „nur” einen Grill, manche Houses sind auch länderspezifisch: German House, Japan House oder das House of Canada. Allen gemein: Es gibt Freigetränke und Flying Buffet, meistens Live-Musik und viele interessante Menschen, mit denen man ins Gespräch kommen kann. Bei einer dieser Veranstaltungen traf ich auf einen alten Freund, der mit seiner Band durch die USA tourte: In Austin ist die Welt ein Dorf!
ARNDT: Auch wenn die Themen in unserem Tagesgeschäft meist deckungsgleich sind mit denen der SXSW, ist das Event in Austin aus zwei Gründen spannend: Die Menschen und die Inspiration. Als Deutscher in Austin landet man fast automatisch in der deutschen SXSW-Community. Man teilt viele Dinge und findet dadurch viele Gemeinsamkeiten. Gleichzeitig ist man eingebettet in die amerikanische Kultur, in der groß gedacht wird und Produkte und Personen „pretty bold" in Szene gesetzt werden. Die Amerikaner haben Networking und Kommunikation perfektioniert.
Die Highlights der South By Southwest: Welche Sessions waren beeindruckend?
Die eine Top-Session gibt es nicht. Das Angebot ist so riesig, dass es schon eine eigene Session „How do I pick the most inspiring Sessions at SXSW” geben müsste.
Hier ist unsere Shortlist von 2016:
- ARNDT: „Google Self Driving Car Project”: Chris Urmson, Director des selbstfahrenden Automobil-Projekts bei Google, nahm uns mit in die Welt von Trial and Error. Nichts anderes ist es, ein autonom fahrendes Auto zu erziehen auf dem Weg vom leeren Highway hin zum komplexen Stadtverkehr. Das ist verrückt, wird aber bald kommen! Ob meine Kinder noch einen Führerschein machen dürfen?
- TILMAN & ARNDT: „Coding on Screen”: Rami Malek und Christian Slater sowie Sam Esmail, die Hauptdarsteller sowie der Creator von „Mr Robot”, sprachen darüber, wie sie mit Beratung der FBI Cyber Crime Unit und von Hackern eine Serie produzierten, in der die Hacker in der Serie die tatsächlichen Befehle in ihr Terminal eingeben, die eingegeben werden müssen. Die zweite Staffel wird aktuell gedreht – Teaser waren ihnen aber nicht zu entlocken.
- TILMAN & ARNDT: In „Crowdsourcing the Hyperloop” sprach der unüberhörbar deutschstämmige CEO von Hyperloop Transportations, Dirk Ahlborn, darüber, wie es ist, ein in den weitesten Teilen crowdgesourcetes Unternehmen zu führen. So spannend das Thema auch war, es war leider vor allem beeindruckend, mit welch einer dilettantischen Präsentation man ein solches Riesen-Unternehmen präsentieren kann.
- ARNDT: „Comic Sans Exists for a Reason”: Die meist gehasste, aber gleichzeitig meist verbreitete Schriftart der Welt erblickte 1994 das Licht der Welt und sorgt seitdem für hitzige Diskussionen zwischen Art Directoren, Managern und Putzfrauen, die einfach nur wollen, dass kein dreckiges Geschirr in der Spüle stehen bleiben soll. Ein äußerst erfrischender Vortrag von Graham Lee, der es geschafft hat, uns noch um 17 Uhr aus der Reserve zu locken.
- TILMAN: In „The Eyes of Robots and Murderers” unterhielten sich Andrew Jarecki und J.J. Abrams über die Herausforderungen beim Drehen von 3D-Filmen, die zudem viele CGI-Elemente enthalten. Doch sie freuen sich auf die neuen Möglichkeiten des Storytellings in 360°-Filmen. Sie hatten auch eigenes Material mitgebracht und stellten ein First-Look zu „WestWorld” vor sowie die App „KnowMe“, mit der man leicht kleine Filme schneiden und mit einem Voice-Over versehen kann.
- ARNDT: Noch einmal Google: „Making Epic Sh*t”. Aber erneut beeindruckend. Regina Dugan war schon lange Mitarbeiterin des Google-Netzwerks, bevor sie Vice President of Engineering, Advanced Technology and Projects wurde. Sie präsentierte Google Soli, Google Jarquard, Ara und Spotlight Stories. Dabei ging es weniger um die Projekte selbst, sondern – wie so oft – um die Präsentation und das Understatement.
- TILMAN: In „Occupy Mars” stellten Ingenieure und Physiker der NASA die aktuellen Pläne zur Besiedelung des Mars vor. Zwei wichtige Aussagen hatten sie mit im Gepäck. Erstens: Die in “The Marsian” gezeigten Umweltbedingungen und Technologien entsprechen in weiten Teilen dem realen Stand der Forschung und Entwicklung. Zweitens: Die NASA hat vor, zwischen 2030 und 2040 eine bemannte Mission zum Mars geschickt zu haben. Und vorher soll die Mars Mission schon als Virtual Reality auf die Konsole gebracht werden.
- ARNDT: „Pimcore - The Future of Open Source Content Management” – Mit Lederhosen und viel Humor hat Dietmar Rietsch, CEO der Pimcore GmbH, vorgestellt, worauf es für Unternehmen ankommt, um auch in den nächsten Jahren erfolgreich im Markt agieren zu können. Die intelligente Automatisierung von Marketing-Prozessen mit Pimcore ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für Unternehmen und geht weit über ein einfaches Web Content Management hinaus, wie auch wir bei Basilicom bereits wissen.
- ARNDT: „Forget Unicorns: Breathing Dragons in a Mobile World”: Ganz großes Highlight war wieder Bonin Bough von Mondelēz International, der schon bei den Online Marketing Rockstars in Hamburg energiegeladen präsentierte und nur kurz darauf auf der SXSW sogar eine andere Präsentation im Gepäck hatte. Zusammenfassung: Fuck Unicorns, es geht um die eigentlichen Stars am neuen Multimilliarden-Dollar-Himmel – Dragons. High-Potentials, gezüchtet auf dem stahlharten Fundament der alt-eingesessenen und bewährten Unternehmen, mit ordentlich Cash und ‘ner Menge Eier in der Hose. Keiner kann so eindrucksvoll seine eigenen Ideen als DIE Marketing-Strategie schlechthin verkaufen wie Bonin Bough!
Kulinarische Tipps: Wie ist das Essen in Austin?
ARNDT: Bei den Bewohnern von Austin steht „Salt Lick BBQ” ganz oben. Kann man mal machen! Auf der Konferenz empfehle ich die Fusion-Küche der Food-Trucks. So isst man lecker Thai Chicken Karragee oder lernt „everything’s bedda with fedda” (alles schmeckt besser mit Feta). Döner macht schöner, auch in Texas – und ich habe bisher noch nicht schlecht gegessen.
TILMAN: Texas ist definitiv anders als das gesundheitsbewusste Kalifornien. Ganz vorne stehen also Fleisch und Wurst, gerne gegrillt und/oder frittiert und mit scharfen und/oder süßsauren Soßen garniert und/oder mit viel geschmolzenem Käse und/oder Bacon überbacken. Eine wahre amerikanische Geschmacks-Explosion. Wenn man in den USA ist, muss man Burger essen. Und ja, die Hamburger sind einfach besser als alle Walnuss-Gorgonzola-Rote-Beete-Burger aus Berlin-Neukölln. Wenn man sich etwas umschaut, findet man aber auch weniger schweres Essen: Mexican-Asian-Fusion-Cuisine, veganes Fernöstliches und Cobb oder Caesar Salads.
Was sind die Insider-Tipps für die Reise zur SXSW 2017?
- Um den Jetlag zu besiegen, muss man einen langen Tag in Kauf nehmen und erst wieder zur neuen Ortszeit etwas später als gewöhnlich schlafen gehen. Außerdem sollten man sich viel draußen aufhalten. Mehr Tipps gibt es hier.
- Am besten sollte man zwei Tage vor Beginn eintreffen, um sich vor Ort für alle Pre-Registrations einzuschreiben oder zu bewerben. Und um bei Whole Foods einzukaufen!
- Bei wahrscheinlich sehr beliebten Sessions sollte man die vorige Session in der gleichen Location besuchen und sitzenbleiben. Oder: 45 bis 90 Minuten vorher da sein und anstehen. Immerhin: Alle stehen fair an. Aber: Je länger die Schlange, umso länger die Schlange.
- If the panel sucks, leave! Wenn Du nach fünf Minuten nicht angefixt bist, dann ist es an der Zeit, den Raum zu verlassen.
- Bei der Wifi-Abdeckung scheiden sich etwas die Geister. Den einen reicht das Konferenz-Wifi aus, das in allen Konferenz-Locations verfügbar ist und mit dem man auch problemlos Video-Konferenzen führen kann. Außerdem gibt’s sowieso in fast jedem Diner Free Wifi (gegen E-Mail-Adresse). Zur Koordination des abendlichen Ausflugs durch die Barlandschaft der 6th Street und angrenzender Bezirke ist das natürlich weniger geeignet. Dann empfiehlt sich ein Pocket-Wifi mit US-Prepaid-SIM. Nach unserer Erfahrung werden dabei aber manchmal sogar 7 GB Datenvolumen knapp ...
- Wie bei allen Konferenzen: ein Akku-Pack oder eine Powerbank. Das rettet Leben.
- RSVP for everything. Ob man dann hingeht, steht auf einem anderen Blatt ...
- Am besten schon jetzt Tische bei OpenTable bestellen. Wer mit mehr als zwei Personen essen gehen will, hat sonst praktisch keine Chance.
Und wie sieht das Ganze dann aus?
Bei der South By Southwest gibt es mehr Eindrücke, als man in Worte fassen kann. Deswegen lassen wir noch ein paar Bilder sprechen:
Noch mehr Fotos, Videos und Eindrücke aus Austin gibt es auf unserer Facebook-Seite.